Die Kritik an der kürzlich vom Bundestag beschlossenen Reform der Grundsteuer reißt nicht ab. In einem aktuellen Gutachten mit dem Titel „Verfassungsrechtliche Aspekte des Belastungsgrundes und der Bewertungsvorschriften im Grundsteuer-Reformgesetz“ äußern die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages Zweifel an der Verfassungskonformität des Gesetzes. Durch die Grundsteuerreform könne es „zu erheblichen Verzerrungen zwischen Grundsteuer- und Verkehrswert kommen“, schreiben die Autoren in dem 13-seitigen Papier.
Problematische Bewertungsmethode
Kritik äußert das Gutachten insbesondere an der vom Gesetzgeber gewählten Bewertungsmethode. Diese könnte dazu führen, dass innerhalb einer Kommune Wertunterschiede – etwa aufgrund der jeweiligen Lage eines Gebäudes – nicht angemessen abgebildet werden können. „Erste Musterberechnungen“, so das Gutachten weiter, „legen es nahe, dass teure Wohnlagen systematisch unterbewertet und mittlere bis einfache Wohnlagen über dem Verkehrswert bewertet würden.“ Alles in allem würden die stichprobenartigen Berechnungen einen deutlichen Hinweis darauf geben, dass „die Verwendung einheitlicher Mietstufen in Großstädten und bei sehr heterogenen Immobilienlagen in einer Gemeinde die realitätsgerechte Bewertung der Grundstücke und Gebäude beeinträchtigen würde". Das sei verfassungsrechtlich problematisch.
Und weiter: Diese Typisierung sei mit dem vom Gesetzgeber gewählten Belastungsgrund einer am Verkehrswert orientierten Sollertragsteuer kaum zu vereinbaren. Auch das Äquivalenzprinzip könne hier nicht als Argument herangezogen werden. Grundstücke und Gebäude in hochwertigeren Lagen würden die kommunale Infrastruktur schließlich nicht per se stärker in Anspruch nehmen als Grundstücke und Gebäude in weniger guten Lagen.
FDP appelliert an die Länder
Der FDP-Abgeordnete Markus Herbrand hatte in der Bundestagsdebatte zur Reform der Grundsteuer aus dem Gutachten zitiert. Die Liberalen haben zwar der für die Reform nötigen Änderung des Grundgesetzes zugestimmt, dem sogenannten Scholz-Modell aber ihre Zustimmung verweigert. Herbrand appellierte ausdrücklich an alle 16 Bundesländer, von der Länderöffnungsklausel Gebrauch zu machen, um „verfassungskonforme“ Regelungen auf den Weg zu bringen.
Mit ihrer Einschätzung stehen die Liberalen nicht alleine da. Auch Dirk Löhr, Steuerberater und Professor für Steuerlehre an der Hochschule Trier, hält es für nicht unwahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht auch das neue Grundsteuermodell kassieren könnte, weil es verfassungswidrig ist. Löhr engagiert sich für das Bündnis „Grundsteuer: Zeitgemäß!“, das sich für eine reine Bodenwertsteuer einsetzt.
Bayern rechnet mit Klagen
Auf dem Deutschen Kämmerertag in Berlin stellte auch Volker Freund, Abteilungsleiter im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, die Vermutung in den Raum, dass die Grundsteuerreform zu einer Vielzahl von Klagen führen werde. Bayern hatte die Öffnungsklausel erkämpft und will ein eigenes Grundsteuermodell auf den Weg bringen, das in der Umsetzung sehr viel einfacher sein soll als die vom Bundestag beschlossene Herangehensweise.
In trockenen Tüchern ist die Grundsteuerreform noch nicht. Nach dem Bundestag muss auch noch der Bundesrat zustimmen. Dort steht das Thema am 8. November auf der Tagesordnung.
a.mohl(*)derneuekaemmerer(.)de
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