„Es ist maximales Gift, wenn sich dann auch noch die Rahmenbedingen ändern“, sagte Jens Meier, Geschäftsführer der Stadtwerke Lübeck, gestern Abend bei der Eröffnung der ersten F.A.Z.-Fachkonferenz Stadt von morgen im Allianz Forum in Berlin.
Ohnehin sei der Investitions- und Transformationsdruck auf Städte und ihre Stadtwerke immens. Diesem stünde oft außerdem eine angespannte Finanzlage gegenüber. Die bundespolitischen Turbulenzen mit den sich abzeichnenden Neuwahlen trügen derweil in einer Phase, in der es eigentlich Stabilität brauche, zusätzlich dazu bei, die Rahmenbedingungen zu erschweren und somit wichtige Fortschritte zu hemmen. Der Kongress wird heute fortgesetzt.
Die Veranstaltung beleuchtet die Herausforderungen und Perspektiven urbaner Transformation. Die Diskussion am Eröffnungsabend, bei der Meier sowie Bernd Rosenbusch, Geschäftsführer des Münchener Verkehrs- und Tarifverbunds, und Finanzsenator Andreas Dressel aus Hamburg sprachen, drehte sich dabei um die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen, um die Frage nach der auskömmlichen Finanzierung urbaner Transformationsprozesse sowie um das Bild der Fragilität, das die aktuelle Bundesregierung abgibt.
Regierungswirrwarr als Hemmschuh der Transformation
Letzteres sei ein Hemmschuh für urbane Progression: Der Umbau des Energiesystems, die Erweiterung des Fernwärmenetzes, der Umschwung zur Elektromobilität, der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und die Digitalisierung zählte Meier ausschnittartig als prägende Zukunftsaufgaben, mit denen sich Städte und ihre kommunalen Unternehmen beschäftigen, auf. Derzeit kämen auf verschiedensten Feldern tiefgreifende Transformationsaufgaben zusammen. Ein „Riesenthema“ in Lübeck sei beispielsweise – wie in vielen anderen Städten – die kommunale Wärmeplanung sowie daran anknüpfend der Umbau des lokalen Wärmesystems. Dreistellige Millionenbeträge seien zu investieren, so Meier. Derartige Investitionsentscheidungen erforderten allerdings ein stabiles Umfeld.
Die aktuellen bundespolitischen Verwerfungen stünden dem aber entgegen. Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Rahmenbedingungen und um die langfristige Belastbarkeit von Förderperspektiven. „Allein, dass es die Unsicherheit gibt, wie die Rahmenbedingungen aussehen in der Zukunft, führt zu weiteren Unsicherheiten“, erklärte Meier. Dies betreffe etwa aus Sicht der Stadtwerke die Kapitalbeschaffung für wichtige Infrastrukturprojekte oder die Personalgewinnung.
F.A.Z.-Konferenz Stadt von morgen: Der Querverbund steht in Frage
Grundsätzlich stehe der vielerorts kommunal geprägte Energiesektor „an einer Weggabelung“. Der sogenannte Querverbund, bis dato laut Meier ein „eingeschwungener Zustand“, stehe in Frage. Das heißt: Die Gewinne, die die Stadtwerke durch die Energielieferung erzielen, nutzen sie bislang im Zeichen der kommunalen Daseinsvorsorge, um defizitäre Leistungen wie den ÖPNV „quer zu finanzieren“. Angesichts der Transformationsaufgaben und notwendiger Investitionen beispielsweise in Fernwärmenetze müssen die Gewinne aus dem Energiebereich aber zunehmend dort verbleiben und dort investiert werden. Die Idee des Querverbunds geht also nicht mehr auf.
Im Gegenteil: Auch im Energiebereich bräuchten die Stadtwerke zunehmend zusätzliches Kapital, um Zukunftsinvestitionen tätigen zu können. „Es muss jetzt darum gehen, zu investieren“, sagte Stadtwerke-Geschäftsführer Meier. Denn verschliefen die kommunalen Energieversorger diese Zukunftsinvestitionen und agierten zu zögerlich, dann gäben sie wohl absehbar auch Teile ihrer Grundversorgungsfunktion aus der Hand.
Deutschlandticket, ÖPNV-Finanzierung und Schuldenbremse
Aber nicht nur die Energieversorgung bildete sich im Spiegel der bundespolitischen Zerwürfnisse in der Diskussion bei der Kongresseröffnung als unter den kommunalen Vertretern diskutiertes Thema heraus. Auch der ÖPNV-Ausbau und die Zukunft des Deutschlandtickets standen im Fokus der Runde. Die Umsetzung des bundesweit einheitlichen Ticketangebots für den ÖPNV sei für die Verkehrsbetriebe zwar herausfordernd gewesen, für die ÖPNV-Nutzer sei es aber eine Errungenschaft, so Rosenbusch. Dass um seine langfristige Finanzierung zwischen Bund und Ländern allerdings immer wieder gerungen wäre, sei zermürbend. Rosenbusch: „Wir brauchen eine Zusage für das Deutschlandticket. Über den Preis kann man reden, aber wir brauchen eine Sicherheit.“
Dazu sagte Finanzsenator Dressel: „Wir brauchen über den Umstieg auf den ÖPNV überhaupt nicht reden, wenn wir Sorgen haben müssen, dass das Deutschlandtickt nicht funktioniert.“ Das Ticketangebot müsse längerfristig gesichert werden. Grundsätzlich betonte Dressel die Notwendigkeit auskömmlicher Finanzen für den Erfolg urbaner Transformation. Hier hake es aber an vielen Stellen, und vielerorts fehle die notwendige Finanzkraft, um investieren und dadurch wichtige Prozesse anstoßen zu können. Die Schuldenbremse bezeichnete Dressel bei der Konferenzeröffnung als den „Elefanten im Raum“. Es sei angesichts der großen gesellschaftlichen Aufgaben an der Zeit, über eine Reform nachzudenken.
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Er arbeitet insbesondere an der Weiterentwicklung der Plattform #stadtvonmorgen und berichtet dabei vorwiegend über urbane Transformationsprozesse. Für die Redaktion von „Der Neue Kämmerer“ beleuchtet er diese Themen aus Perspektive der Kommunalfinanzen. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.