Mit ihren 356 Quadratkilometern ist die Stadt Geestland flächenmäßig eine der größten Kommunen in Deutschland. Sie ist ländlich geprägt, mitunter können die Wege zwischen den 16 einzelnen Ortschaften lang sein. Gleichwohl hat die Verwaltung den Anspruch, nah an den Bürgerinnen und Bürgern zu sein.
Seit 2021 nimmt Geestland am bundesweiten Modellprojekt „Smart Cities“ teil. Bei dem Förderprogramm des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen erproben Kommunen digitale Strategien für das Stadt- und Landleben der Zukunft.
Geestland erhält insgesamt rund 10 Millionen Euro Fördermittel. Mit diesem Geld will die Stadt unter anderem einen autonomen Bus auf die Straße bringen oder auch ein Funknetzwerk einrichten, um die Energieverbräuche von Schulen, Kitas und Co. in Echtzeit zu erfassen. Um die Bürgerinnen und Bürger an den verschiedenen Digitalisierungsthemen zu beteiligen und mit ihnen über die Stadt der Zukunft ins Gespräch zu kommen, hat die Verwaltung ein Stadtlabor eingerichtet. Ein Erlebnisraum, der sich im ehemaligen Rathaus in der Ortschaft Bad Bederkesa befindet.
„Die Verwaltung kommt zu den Menschen“
Zusätzlich hat sich Geestland eine mobile Version des Stadtlabors zugelegt – in Form eines bunt beklebten VW ID.Buzz. Mit dem Elektrobus fährt das Smart-City-Team seit August 2023 durch die Stadt und informiert die Bürgerinnen und Bürger gezielt über das Modellprojekt. In dem Zuge kam die Idee auf, den Bürgerbeteiligungsbus aufzuwerten und zum rollenden Rathaus weiterzuentwickeln.
Dazu hat die Stadt den sogenannten Bürgerkoffer der Bundesdruckerei bestellt. Dieser ist standardmäßig mit Notebook, Drucker, Scanner, Fingerabdrucksensor sowie einem Änderungsterminal ausgestattet. Für biometrische Fotos gibt es zudem eine Kamera mit Stativ.
„Die Bürger und Bürgerinnen brauchen nicht zur Verwaltung zu kommen. Die Verwaltung kommt zu ihnen“: Nach diesem Motto fährt die Stadt Geestland einmal pro Monat in die Ortschaften, steuert zentrale Punkte wie Dorfgemeinschaftshäuser oder Feuerwehren an und bietet ihre Dienstleistungen quasi vor der Haustür an. Der allererste Kunde war ein vier Monate altes Baby, das für einen Urlaub in Großbritannien einen Reisepass benötigte. Der Auftakt in der 600-Einwohner-Ortschaft Flögeln wurde damals sogar vom Fernsehen begleitet.
Kurze Wege sparen Zeit – und schonen die Umwelt
Mit dem Projekt richtet sich die Stadt Geestland an Menschen, die nicht oder nur eingeschränkt mobil sind und für die der Weg zu einem der beiden Rathäuser zu weit ist. Aber auch an jene, die zwischen Job und Familie nur wenig Zeit für Verwaltungsangelegenheiten haben. Kurze Wege sparen Zeit. Und wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr Auto stehen lassen, weil sie nicht ins fünf, zehn oder 20 Kilometer entfernte Rathaus fahren müssen, hat das ganz nebenbei noch einen positiven Effekt fürs Klima.
Bürgermeisterin Gabi Kasten nutzt die monatlichen Einsätze des rollenden Rathauses außerdem, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen: über die Digitalisierung, über die zukünftige Entwicklung der Ortschaften und alles, was sie gerade bewegt.
Und dabei sind die Kosten für das Angebot der Bundesdruckerei vergleichsweise gering: Rund 1.800 Euro kostet der Bürgerkoffer, der wahlweise mit Mobilfunk oder WLAN betrieben werden kann – ein Konzept, das auch andere Kommunen mit wenig Aufwand übernehmen können.
Zwei Preise für das Modellprojekt
Inzwischen hat die Stadt Geestland mit dem Projekt sogar zwei Preise gewonnen. Bei der Verleihung des „Staatsanzeiger Awards“ in Stuttgart belegte die Verwaltung den zweiten Platz in der Kategorie „Bürgermeister*in in Mission“. Doch damit nicht genug: Im Sommer 2024 gewann Geestland den Thorsten-Bullerdiek-Zukunftspreis des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB).
Juryvorsitzender Matthias Wunderling-Weilbier überreichte den mit 5.000 Euro dotierten Preis bei der Mitgliederversammlung des NSGB in Oldenburg. Der Staatssekretär im Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung betonte: „Mit dem ,Rathaus auf Rädern‘ wird eine neue Dimension im Miteinander von Verwaltung und Stadtgesellschaft erprobt. Statt Bürgerinnen und Bürger über weite Strecken ins Rathaus kommen zu lassen, macht sich das Rathaus auf den Weg zu den Menschen. Die Kommune bringt damit ein modernes, bürgernahes und serviceorientiertes Selbstverständnis zum Ausdruck – die Herausforderung wird zur Chance.“
Das Projekt zeige, dass auch große Flächenkommunen Lösungen für eine gute Erreichbarkeit der Verwaltungsdienstleistungen finden können, sagte NSGB-Präsident Dr. Marco Trips: „Das Rathaus auf Rädern vermittelt eindrucksvoll, wie Bürgerinnen und Bürger mit eingeschränkter Mobilität in der Fläche erreicht werden können. Gerade Menschen mit Vorbehalten gegen die Digitalisierung werden auf diese Weise nicht ausgeschlossen. Das Projekt zeigt, dass Smart-City-Ansätze nicht nur in Großstädten denkbar sind und möglichst ausgefallen sein müssen, sondern es auf die Praktikabilität ankommt.“
merlin.hinkelmann@geestland.eu
Info
Gabi Kasten ist Bürgermeisterin, Merlin Hinkelmann ist Pressesprecher und Leiter der Stabsstelle Bürgermeisterbüro bei der Stadt Geestland.
Dieser Gastbeitrag ist zuerst in der DNK-Printausgabe 4/2024 erschienen.