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„Wir sprechen Fußball“

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Gelsenkirchen ist das, was man eine Fußballstadt nennt. Überall ist der Fußball präsent. Garagen sind mit dem Logo von Schalke 04 bemalt, ganze Häuserwände sind in den Vereinsfarben gestrichen. In den Vorgärten wehen Fahnen mit dem Schalke-Wappen, und sogar Gartenzwerge tragen ein blau-weißes Trikot. Nur wenige andere Städte identifizieren sich so sehr mit ihrem Klub wie Gelsenkirchen mit dem Zweitligaverein. Und wenn am 14. Juni die Fußballeuropameisterschaft in Deutschland angepfiffen wird, ist auch Gelsenkirchen als EM-Stadt dabei.

EM-Stadt Gelsenkirchen: Fußball im Stadtgeschehen

„Wir sprechen Fußball“ – mit diesem Slogan lädt die mit rund 270.000 Einwohnern kleinste der zehn deutschen EM-Städte die europäischen Fußballfans zu sich ein. „Das drückt die verbindende Kraft, die der Fußball in der und für die Stadt hat, aus“, sagt Oberbürgermeisterin Karin Welge über das Motto.

Gelsenkirchen erwartet viel von dem Sportereignis – zumindest mehr als Metropolen wie Hamburg, München oder Berlin, für die die Ausrichtung internationaler Events weniger außergewöhnlich ist als für die nordrhein-westfälische Stadt. Welge verspricht sich von der EM neue Impulse für ihre Stadt. „Durch sie werden bestimmte Projekte überhaupt erst angestoßen oder zumindest beschleunigt. Gerade für eine Stadt im Strukturwandel ist dies bedeutsam – denn die EM öffnet uns ein Fenster, um zu zeigen, wer wir sind.“

EM macht urbane Transformation sichtbar

Beispiel dafür ist die Fanzone im Nordsternpark. Hier ist an einem ehemaligen Zechenstandort ein Landschaftspark entstanden, in dem 1997 die Bundesgartenschau stattfand und der 2027 ein Veranstaltungszentrum der „Internationalen Gartenausstellung Metropole Ruhr“ sein wird. Welge: „Das Areal steht nicht nur dafür, dass sich Gelsenkirchen im Wandel befindet, sondern auch, dass hier schon viel erreicht wurde.“

So dokumentiere die Europameisterschaft die urbane Transformation. Längst ist die Montanindustrie in Gelsenkirchen nicht mehr der bestimmende Faktor, sondern die Stadt sucht sich neue Profilmerkmale in zukunftsträchtigen Themenfeldern wie Wasserstoff oder Digitalisierung.

Kosten für EM-Städte nicht unumstritten

Es sind vor allem die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, die die Ruhrmetropole städtebaulich im Zusammenhang mit dem anstehenden Fußballereignis voranbringen sollen. Insgesamt veranschlagt Gelsenkirchen EM-bedingt – auch abhängig von den Spielpaarungen, die zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht feststanden, und den damit verbundenen Sicherheitsanforderungen – einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag, erklärt die ehemalige Kämmerin Welge. „Wir wollen beweisen, dass wir mit vergleichsweise überschaubarem Mitteleinsatz überproportional viel zu leisten imstande sind.“ Denn ohnehin stehe die Stadt „vielleicht unter höherem Kostendruck als andere“.

Apropos Kosten: Die Mittel, die die EM-Städte für die Durchführung des Events aufbringen, sind nicht unumstritten. Beispielsweise meldete sich Ende Mai der Bund der Steuerzahler in Berlin zu Wort. In der Hauptstadt finden sechs EM-Spiele statt. Das Land Berlin beziffere die Gesamtkosten für die EM auf 83,7 Millionen Euro, allein auf die Fanmeile entfielen 17,5 Millionen Euro, kritisiert der Steuerzahlerbund: „Angesichts des Milliardenlochs im Berliner Haushalt stellt sich bei aller Liebe zum runden Leder die Frage, ob sich Berlin diese Ausgaben überhaupt hätte leisten sollen.“

a.erb@derneuekaemmerer.de

Andreas Erb

Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Er arbeitet insbesondere an der Weiterentwicklung der Plattform #stadtvonmorgen und berichtet dabei vorwiegend über urbane Transformationsprozesse. Für die Redaktion von „Der Neue Kämmerer“ beleuchtet er diese Themen aus Perspektive der Kommunalfinanzen. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.