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So stellen Kommunen gute Konditionen bei Kommunalfinanzierungen sicher

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Seit Jahrzehnten sichern sich Kommunen günstige Finanzierungskonditionen durch das sogenannte Ausschreibungsverfahren. Dabei werden im Fall einer geplanten Kreditaufnahme mehrere potenzielle Kapitalgeber angeschrieben und um ihre Konditionen für eine genau definierte Finanzierungsmaßnahme gebeten. Eine Untersuchung des ZKFM von 2020 (Müller, Thießen, Venbert; Der Gemeindehaushalt 3/2020, S.49 ff) zeigte, wie sich Kommunen bis vor der Coronakrise mit diesem Verfahren im Schnitt eine Marge von nur noch 25 Basispunkten über dem Marktzins sichern konnten.

Das Kernstück des Ausschreibungsverfahrens ist der Wettbewerb der Kapitalgeber. Die Untersuchung des ZKFM zeigte, dass sich Kommunen, die von sieben bis neun Kapitalgebern Angebote erhalten, die günstigsten Konditionen sichern können. Wer weniger hat, kann leicht die doppelte Marge bezahlen müssen.

Kommunalfinanzierung: Grenzen des Ausschreibungsverfahrens

Nun gibt es in der Kommunalfinanzierung Trends, welche das klassische Ausschreibungsverfahren in Bezug auf Konditionssicherung an seine Grenze bringen. Einige Kommunen setzen auf Anleihen. Andere greifen, wie Der Neue Kämmerer in der Ausgabe 4/2023 berichtet, auf Gemeinschaftskredite –schuldscheine oder -anleihen zurück, denn bei größeren Volumina werden die Konditionen besser. Wieder andere probieren Nachhaltigkeitsfinanzierungen, die zunehmend gesucht werden. Solche Finanzierungen sind aber mangels Standardisierung oft noch Individualvereinbarungen mit Bedingungen („Frameworks“), die fallweise neu festgelegt werden und insofern „Unikate“ darstellen.

Das Problem in diesen Fällen ist dasselbe: wie stelle ich sicher, dass meine Konditionen „gut“ sind? Das Prinzip der Sparsamkeit im öffentlichen Dienst erfordert es, hierzu eine begründete Meinung zu haben.

Beim klassischen Kontokorrentkredit im Ausschreibungsverfahren können Kommunen gute Konditionen durch den Wettbewerb der Angeschriebenen sicherstellen. Wenn nun aber spezielle Gemeinschaftsfinanzierungen oder individuelle Nachhaltigkeitsfinanzmaßnahmen vorgenommen werden, dann funktioniert der Wettbewerb nicht mehr uneingeschränkt. Es ist nicht leicht für 100 Millionen Euro, aufgenommen von drei heterogenen Kommunen, sieben bis neun ernsthafte Angebote zu erhalten. Bei individuellen Nachhaltigkeitskrediten ist es erst recht schwierig, parallele Angebote zu bekommen. Nachhaltigkeitsframeworks werden meist eigens ausgehandelt. Investoren, die selbst wieder von ihren Kapitalgebern abhängig sind, stellen spezifische Wünsche, die unverhandelbar sein können. Das bedeutet: Eine ausreichende Anzahl von Vergleichsangeboten wird eine Kommune in vielen Fällen nicht bekommen.

Kommunen sind zur Sparsamkeit aufgerufen

Die Frage ist dann: Wie kann man in diesen Fällen die Angemessenheit der Konditionen kontrollieren? Kommunen sind nach Haushaltsrecht zur Sparsamkeit aufgerufen. Zu teure Finanzierungen widersprechen dem Grundsatz. Es ist nicht undenkbar, dass Kapitalgeber bewusst undurchsichtige Finanzstrukturen empfehlen, um Preisvergleiche unmöglich zu machen. Der Neue Kämmerer hat auf schwierig zu prüfende Konstruktionen hingewiesen (vgl. Kämmerer, 4.12.23, S. 8). Banken haben tatsächlich Schuldscheine mit individueller Struktur, die bei Fälligkeit durch eine Leasingkonstruktion ersetzt werden, empfohlen. Bei solch individuellen Gestaltungen kann man mit dem Instrument der Ausschreibung keine Konditionen prüfen.

Aber was sollte an die Stelle treten?

Das im professionellen Markt am meisten verwendete Instrument, um marktgerechte Preise zu erhalten, ist die Finanzierung mit der Kondition „Marktzins plus Marge“. Bei dieser Variante wird nicht über die Gesamtkondition verhandelt, sondern nur über die Marge, die auf den Marktzinssatz zum Zeitpunkt der Finanzierungsmaßnahme als Aufschlag zu bezahlen ist. Der Marktzins kann ein Festzins der gewünschten Laufzeit oder ein variabler Zins sein. Basis ist oft die Mid-Swap-Kurve. Dabei handelt es sich um den mittleren Zinssatz zwischen Geld- und Brief von Swapgeschäften der entsprechenden Laufzeiten.

Üblicherweise holt man sich diese Zinssätze aus Marktinformationssystemen wie Refinitiv Eikon (vormals Thomson-Reuters) oder Bloomberg. Als Alternative kann man im Internet verfügbare Zinssätze nutzen. Deren Genauigkeit ist dann nicht immer hoch. Alternativ kann man die Bank rechnen lassen und eine stichprobenweise ex post-Kontrolle durchführen. Dazu könnte man auch die Zinssätze der Börsenzeitung verwenden.

„Mehr Wettbewerb ist besser als weniger“

Insgesamt ergeben sich für die Kommunen durch eine Preisbildung, die nach dem System „Marktzins plus Marge“ funktioniert, in bestimmten Situationen Vorteile gegenüber dem Ausschreibungsverfahren: Insbesondere die Konditionen von „Unikaten“, das heißt individuellen Finanzkonstruktionen, wie beispielsweise Gemeinschaftsanleihen oder Nachhaltigkeitskrediten mit nicht standardisierten Bedingungen kann man damit beurteilen.

Das eröffnet die Frage: Wie erreicht man eine günstige Marge? Braucht man weiterhin sieben bis neun Konkurrenzangebote? Die Antwort lautet: Natürlich ist mehr Wettbewerb besser als weniger. Insofern ist das Ausschreibungsverfahren nach wie vor aktuell und das Maß aller Dinge. Aber die Marge ist kein besonders volatiler Faktor. Hinter der Marge stecken Kosten und Gewinnerwartungen, die sich nicht so schnell ändern. Man kann eigene Erfahrungen aus früheren Transaktionen und Erfahrungen anderer Kommunen nutzen. Wenn eine von einer Bank vorgeschlagene Marge ohne Grund aus dem üblichen Rahmen fällt, ist die Kondition nicht angemessen.

Wenn viele Kommunen nach der Regel „Marktzins plus Marge“ kontrahierten und ihre Daten austauschten, dann hätte man in kurzer Zeit angesichts der Vielzahl von Finanzierungsvorgängen eine riesige Datenmenge, aus der man sehr genau ablesen könnte, welche Faktoren gute Margen begünstigen. Bisher können Kommunen die von ihnen abgeschlossenen Geschäfte nur schwer miteinander vergleichen, denn je nachdem, wann ein Kredit aufgenommen wird und welche Zahlungsstruktur er hat, muss die Kondition zwangsläufig eine andere sein. Das ist nun beim System „Marktzins plus Marge“ nicht mehr der Fall, denn gleichartige Kredite sollten die gleiche Marge haben. Kredite werden dadurch vergleichbar.

Margen lassen sich auch bei komplexen Zahlungsstrukturen ausrechnen

Die letzte hier behandelte Frage ist die nach den Reaktionen der Banken, wenn sie auf die Kondition Marktzins plus Marge angesprochen werden. Hierzu ergibt sich Folgendes: Bei variabel verzinslichen Darlehen auf Euribor- oder Ester-Basis gibt es die Konditionierung (Referenz-)Zins plus Marge bereits. Das heißt die Methode ist nicht grundsätzlich ungebräuchlich. Bei einfachen endfälligen Darlehen mit 100 Prozent Auszahlung und Tilgung ist die Angabe der Marge ebenfalls möglich. Denn bei solchen Darlehen kann sowieso jeder durch Blick in ein Informationssystem (s.o.) leicht nachprüfen, wie weit der vereinbarte Zins von Marktkonditionen abweicht. Schwierig werde es bei Annuitätsdarlehen oder Darlehen mit ungewöhnlichen Tilgungsstrukturen, sagen die Banken. Dabei wäre es nicht ganz einfach, die Marge zu berechnen, weil jeder Cash Flow einzeln gehandhabt werden muss. Hierzu ist nun zu sagen, dass es für die moderne Finanzmathematik kein Problem darstellt, Margen auch bei komplexen Zahlungsstrukturen auszurechnen. Bei der Bankkalkulation mit der Marktzinsmethode gibt es ähnliche Probleme, die von den Banken souverän gemeistert werden. Daher kann keine Bank sagen, eine Marge ließe sich bei komplexen Zahlungsstrukturen nicht berechnen. Unter Umständen müsste zwischen Banken- und Kommunalverbänden ein Musterberechnungsverfahren vereinbart werden, das dann den Verträgen zugrunde gelegt wird.

Zur Beruhigung der Kämmereien und ihrer Mitarbeitenden, die keine finanzmathematischen Experten sind, kann noch ergänzt werden, dass nach wie vor der Zinssatz immer genannt wird. Die Marge ist nur eine Zusatzinformation, durch welche die Kommune erst in die Lage versetzt wird, die Angemessenheit des Zinssatzes zu überprüfen. Das Prinzip der Sparsamkeit verlangt eine solche Aussage. In Finanzierungsfällen, in denen keine oder sehr wenige Vergleichsangebote vorliegen, kommt man um eine Aussage über die Marge gar nicht herum.

Landschaft der Kapitalgeber ändert sich

Zusammenfassend ergibt sich: Es ist den Autoren bewusst, dass das System „Marktzins plus Marge“ eine Herausforderung für Kommunen darstellen kann. Das Ausschreibungsverfahren wird es nicht ersetzen. Aber es gibt mehr und mehr Fälle, in denen unikate Finanzkonstruktionen diskutiert werden und in denen das Ausschreibungsverfahren dann nicht mehr reibungslos funktioniert. Der Neue Kämmererhat über die zunehmende Zahl solcher Finanzierungen berichtet. Das kann für Gemeinschaftsfinanzierungen genauso gelten wie für Nachhaltigkeitsvorhaben oder andere komplexe Finanzkonstruktionen. In solchen Fällen kann die Orientierung an der Marge eine wertvolle Hilfe bei der Beurteilung der Güte der Konditionen sein.

Vielleicht muss darüber auch im kommunalen Kreis noch diskutiert werden. Aber in einer Zeit, in der sich die Kapitalgeberlandschaft wandelt und sich die Kredittypen ändern, kann es eines Tages unerlässlich sein, das neue System einzusetzen.

friedrich.thiessen@wiwi.tu-chemnitz.de

Autor

Ekkehard Grunwald ist Kämmerer der Stadt Recklinghausen, Pierre Monzner ist Leiter des Zins- und Schuldenmanagements in Recklinghausen und Friedrich Thießen ist Professor an der TU Chemnitz.

Anne-Kathrin Meves

Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.