Das Nutzer­konto für Finanzentscheider im öffentlichen Sektor

Nutzen Sie alle Vorteile von derneuekaemmerer.de – mit nur einem kostenlosen Konto.

Ein Umsatzsteuer-Booster für kommunale Investitionen?

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Die Kommunen stehen aktuell an vielen Fronten gleichzeitig unter Druck. Zuletzt ist im Jahr 2023 der kommunale Finanzierungssaldo mit rund –6 Milliarden Euro erstmals seit 2011 wieder negativ gewesen, und der Ausblick bleibt düster. Zudem beziffert das KfW-Kommunalpanel einen wahrgenommenen Investitionsrückstand von circa 186 Milliarden Euro. Hinzu kommt, dass mit negativen kommunalen Nettoinvestitionen seit den vergangenen zwei Dekaden von der Substanz gezehrt worden ist. Anstehende Transformationsbedarfe, insbesondere in den Bereichen Klimatransformation, Demografie und Digitalisierung, werden den kommunalen Finanzierungslasten auch zukünftig weiter zusetzen.

Gleichzeitig zeigen steigende kommunale Infrastrukturausgaben, dass die Kommunen zwar den skizzierten Rahmenbedingungen etwas entgegensetzen, die verausgabten Mittel bestehende Finanzierungslücken jedoch noch nicht schließen können. Es bleibt daher die Frage, wie den Kommunen nachhaltig ermöglicht werden kann, Finanzmittel für die Gestaltung der Zukunft aufzubringen.

Steuer- und Investitionskraft bedingen sich nicht automatisch

Ein Blick auf kleinräumige Investitions- und Steuerdaten zeigt, dass vor allem Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg investitionsstark sind, wobei sie nicht zugleich flächendeckend steuerstark sind. Für Ostdeutschland sind es insbesondere Regionen in Berlin-Brandenburg, die zugleich steuer- und investitionsstark sind. Gerade in Teilen Sachsen-Anhalts und dem nördlichen Brandenburg sowie großen Teilen Mecklenburg-Vorpommerns lässt sich dagegen eine kombinierte Steuer- und Investitionsschwäche feststellen.

Quelle: KOMKIS

Für Westdeutschland ist das Bild sehr vielgestaltig. Im Saarland ist das Investitionsverhalten auffallend niedrig, während die Steuerkraft gar nicht mal so schwach ist. Anders in Rheinland-Pfalz oder in den ländlichen Regionen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins, die (mit wenigen Ausnahmen) von einer simultanen Steuer- und Investitionsschwäche geprägt sind. Das „Sorgenkind“ Nordrhein-Westfalen zeigt sich ebenfalls ambivalent: Hier ist eine flächendeckende Investitionsschwäche festzustellen, die jedoch nicht mit einer ebenso flächendeckenden Steuerschwäche korrespondiert.

Es ist erkennbar, dass durchaus verschiedene regionale Muster vorliegen, die die Verhältnisse vor Ort besonders und damit Abweichungen vom grundlegenden Zusammenhang „Steuerstärke gleich Investitionsstärke“ prägen. Gleichzeitig gibt es viele Regionen, in denen – vor allem durch die länderseitige Förderpolitik – Investitionen auch in steuerschwächeren Gemeinden möglich sind. Dies ist vor allem ein in Süddeutschland beobachtbares Phänomen.

Förderprogramme reichen nicht aus

Die kommunale Vielgestaltigkeit bestärkt den Befund, dass vereinzelte landes- und bundesseitige Förderprogramme den bestehenden Herausforderungen nicht gerecht werden können. Es bedarf einer grundsätzlicheren Antwort auf die bestehenden kommunalen Unterschiede – gerade vor dem Hintergrund der Breite der Herausforderungen.

In zwei Verbundstudien hat das Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur (KOMKIS) der Universität Leipzig daher untersucht, vor welchen Herausforderungen die kommunale Ebene steht, wie diese mit fiskalischen Mitteln ausgestattet ist und welche Möglichkeiten bestehen, um sie für die anstehenden Herausforderungen zu wappnen. Dabei steht insbesondere die Umsatzsteuer als bewegliches Scharnier der Finanzverfassung im Fokus.

Aus Sicht der Kommunen hat diese Lösungsoption mehrere Vorteile: Die Finanzmittel unterliegen zunächst keiner Zweckbindung. Damit kann eine Kommune selbständig entscheiden, ob die Sanierung der Straße, der Neubau des Rathauses oder die Instandsetzung des Schulgebäudes Vorrang genießen sollte. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zu Fördermitteln nicht jene cleveren Kommunen profitieren, die versiert in der Beantragung und Abrechnung von Fördermitteln sind, sondern Mittel zielgerichteter dorthin gehen, wo diese gebraucht werden. Dies entschärft auch die fördermittelzentrierte Eigenanteilproblematik und personalintensive Beantragungs- sowie Überwachungsprozesse.

Starke Hinzugewinne möglich

Über Simulationsrechnungen ist sowohl untersucht worden, welche Effekte mit der Erhöhung des kommunalen Anteils am bestehenden Umsatzsteueraufkommen um einen Prozentpunkt (äquivalent zu 2,9 Milliarden Euro) verbunden sind, als auch, welche Effekte sich durch eine Veränderung des gewerbeorientierten Verteilungsschlüssels einstellen würden. Insgesamt zeigt sich, dass die Kommunen mitunter starke Hinzugewinne verbuchen können. Bei einer Veränderung des Verteilungsschlüssels, beispielsweise durch eine stärkere Einwohnerverteilung oder über einen Indikator zur inversen Wirtschaftskraft, würden Umsatzsteuermittel zudem verstärkt in jene Regionen fließen, die relativ steuerschwach sind. Finanzstarke Regionen, insbesondere im Süden der Republik, müssten dagegen mit leichten Verlusten rechnen.

Die Umsatzsteuer könnte somit wieder einmal ihre Flexibilität im fiskalföderalen System beweisen. Erwähnenswert sind jedoch Zweitrundeneffekte, die sich einstellen können, wenn die höheren kommunalen Steuereinnahmen beim kommunalen Finanzausgleich und im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs angerechnet werden. Folglich müssen Bund und Länder diese Effekte mitdenken, damit die Mehreinnahmen in der einen kommunalen Tasche nicht durch die andere wieder entzogen werden.

Die Stärkung der kommunalen Finanzierungssituation ist nicht nur voraussetzungsvoll, sondern verlangt auch nach grundlegenden Lösungen, die über situative Fördermittel hinausgehen. Dafür ist es notwendig, dass sich Bund und Länder über einen Modus Operandi einig werden, der die kommunale Einnahmeposition strukturell verbessert. Vor dem Hintergrund der drängenden Zukunftsaufgaben ist dies nicht nur dringend geboten, sondern auch lohnenswert.

hesse@wifa.uni-leipzig.de