Die kommunale Familie traf sich in Gestalt ihrer Finanzverantwortlichen am 9. und 10. September in Berlin zum 20. Deutschen Kämmerertag. Am Vorabend beschrieb Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt, selbst früher Kämmerer, den Finanzverantwortlichen in der Kommune als „Diplomaten in der kommunalen Verwaltung und als zentralen Dolmetscher, der die unterschiedlichsten Ansprüche so übersetzen muss, dass alle es verstehen.“
Im Rückblick auf 2004 und bei untergehender Sonne charakterisierte er die Perspektive in vielen Kommunen erneut als düster. Deutschland sei wieder einmal der „lahme Mann Europas“. Doch für die Kämmerer sah Schuchardt trotz der gegenwärtigen Herausforderungen noch viel Potenzial: Denn als „Strategen und Planer“ der Zukunft seien es die Kämmerer, die wirklich mitgestalten könnten.
Kämmerer als Hoffnungsträger und Motor des Wandels
Auch der folgende Konferenztag begann mit einem Rückblick. Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht, ebenfalls ein früherer Kämmerer, brachte damit ein Stück Wehmut in den gut gefüllten Veranstaltungssaal. Das Editorial über den „CFÖ“ aus der ersten Ausgabe von Der Neue Kämmerer gebe das Bild des modernen Kämmerers auch heute noch treffend wieder. Er entwickle tatsächlich die Maßstäbe für Qualität und Effizienz in der öffentlichen Verwaltung, sei Hoffnungsträger und Motor des Wandels.
Zum Geburtstag wurde aber nicht nur darüber gesprochen, wie sich das Magazin in den vergangenen 20 Jahren verändert hat, sondern auch, wie sich die Rolle des Kämmerers in dieser Zeit gewandelt hat. Auf dem Podium beantworteten Julia Figura (Oldenburg), Michael Tirpitz (Leipzig), Christine Zeller (Münster) und Specht die Frage, was zu einem neuen Kämmerer gehöre. Specht fasste deren Rolle treffend zusammen: „Die Kämmerer sind die wahren Stadtgestalter.“ Denn niemand ist so gut auf Krisen vorbereitet wie die Kämmerer deutscher Kommunen, glaubte er. Klimawandel, die Bankenkrise der 2000er Jahre, die Pandemie der 20er und die schwache Konjunktur derzeit würden den Finanzabteilungen einiges abverlangen.
Modernisierung trotz knapper Kasse
Zeller musste in der Kämmerei in Münster feststellen, dass auch in der scheinbar so wohlhabenden gemütlichen Universitätsstadt „die Bäume nicht in den Himmel wachsen“ und es dann noch den Münsteranern vermitteln. Das kam bei diesen nicht immer gut an. Aber mit dem neu aufgesetzten Sparprogramm, ist sie zuversichtlich, könne man auch eine moderne Verwaltung anstoßen. Bei ihren Wünschen für die Zukunft waren die vier Panel-Teilnehmer sich einig: Wohlstand und sozialer Zusammenhalt für ihre Kommunen und Städte. Trotz aller Herausforderungen, wie knapper Kassen oder politische Umbrüche, war auch hier die Stimmung positiv.
Die Digitalisierung bleibt für die deutschen Verwaltungen auch zwanzig Jahre nach dem 1. Deutschen Kämmerertag noch eine Zukunftsaufgabe. Allerdings gibt es im Vergleich zu 2004 zusätzliche Herausforderungen wie Künstliche Intelligenz. Zum Abschluss zeigte Blogger Sascha Lobo den langen Weg zur digitalen Verwaltung mit harten Fakten, aber auch viel Humor: In Deutschland seien die Investitionen in IT im EU-Vergleich mit 14 Prozent des BIP sehr niedrig – der westliche Nachbar Frankreich gebe immerhin 46 Prozent des BIP für IT-Investitionen aus. Bei künstlicher Intelligenz sei Deutschland wie auch die EU zu vorsichtig. „Es wird eine Kultur des Ausprobierens gebraucht“, erklärt Lobo. Scheitern müsse möglich werden, auch in den deutschen Verwaltungen. Denn „die KI-Transformation muss gelingen, damit Deutschland auch in 15 Jahren noch ein wohlhabendes Land ist.“
Dabei spielen gerade die Kommunen eine zentrale Rolle. Sie rief Markus Richter als CIO des Bundes auf, aus dem Hamsterrad auszusteigen. Es gebe inzwischen viele digitale Lösungen, die Kommunen nachnutzen könnten. Sie bräuchten nicht jeweils ihre eigenen Lösungen zu entwickeln. Und wenn sich sogar ein traditionsreiches Haus wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit 75 Jahren digital neu ausrichtet, wie Herausgeber Carsten Knop in seiner Keynote berichtete, dann scheint die Digitalisierung der Kommunen keine unmögliche Aufgabe mehr zu sein.
g.schilling@derneuekaemmerer.de
Gunther Schilling ist Verantwortlicher Redakteur Public Sector mit Schwerpunkt „#stadtvonmorgen“. Für „Der Neue Kämmerer“ schreibt er insbesondere über die Themen Haushalt und kommunale Unternehmen. Der Diplom-Volkswirt ist seit 1990 als Redakteur in der F.A.Z.-Verlagsgruppe tätig. Das Team von „Der Neue Kämmerer“ verstärkt Gunther Schilling seit Januar 2022. Zuvor war er Leitender Redakteur des Außenwirtschaftsmagazins „ExportManager“.