Im schleswig-holsteinischen Norderstedt hat die Fraktion „Wir in Norderstedt“ (WiN) einen Prüfauftrag zur möglichen Kreisfreiheit beantragt. Dieser wurde jüngst im Hauptausschuss mit Mehrheitsbeschluss in die Stadtvertretung verwiesen, wie die Kommune auf DNK-Nachfrage bestätigt. Die Mitglieder der Stadtvertretung stimmen voraussichtlich Anfang März darüber ab, ob sie die Vor- und Nachteile eines Kreisaustritts prüfen lassen.
Komplexes Thema Kreisaustritt
„Wenn dieser Prüfauftrag eine politische Mehrheit findet, wird die Verwaltung damit beginnen, die Zahlen zusammenzutragen“, teilt die Stadt mit. Die Zahlen wären dann voraussichtlich auch Teil folgender politischer Beratungen.
Das Thema Kreisfreiheit lässt sich demnach jedoch nicht auf eine einfache Rechnung reduzieren: „Aus Sicht der Verwaltung ist es zum jetzigen Zeitpunkt viel zu kurz gesprungen, dieses sehr komplexe (und bis dahin vollkommen theoretische) Thema auf das Gegenüberstellen einiger weniger Zahlen in Form einer vereinfachten Kostenersparnis-Mehrausgaben-Rechnung herunter zu brechen“, erklärt die Stadt gegenüber DNK. Denn „sogenannte Einsparungen“ wie der Wegfall der Kreisumlage müssten dem Mehraufwand gegenüber gestellt werden, den die Stadt zu leisten hätte, wenn sie die vielen Aufgaben des Kreises übernähme.
Kompetenzen des Landrats
Laut dem Fraktionsvorsitzenden der WiN-Fraktion, Reimer Rathje, geht es bei dem Antrag nicht nur um rechnerische Faktoren. „Norderstedt wächst immer mehr, wir sind die viertgrößte Stadt in Schleswig-Holstein“, sagt er, „der Unterschied zwischen dem städtischen Norderstedt und dem ansonsten eher ländlich geprägten Kreis Segeberg wird dadurch zu groß.“ Diese Relation würde der Landrat bei seinen Entscheidungen teilweise nicht berücksichtigen.
Daher wisse die Stadt zum Beispiel nicht, wie viele Bürger sich aktuell mit dem Coronavirus infiziert hätten. „Der Landrat teilt uns dies aus Datenschutzgründen nicht mit und verkündet nur Zahlen, die den ganzen Kreis betreffen“, sagt Rathje. Die Stadt würde die Information aber benötigen, um Hotspots zu identifizieren und die Ausbreitung des Virus einzudämmen. „Es wäre besser, wenn die Kompetenz bei der Stadtverwaltung und nicht bei dem Kreis liegen würde“, so Rathje.
Nachteile sollen geprüft werden
„Über die Nachteile eines Kreisaustrittes spekulieren wir bisher nur“, fügt er hinzu. Deshalb sei eine Prüfung wichtig. „Natürlich kann es sein, dass wir als kreisfreie Stadt ein städtisches Krankenhaus bräuchten und dass bestimmte Ämter neu geschaffen werden müssten – das weiß aber niemand so genau.“
Der Fraktionsvorsitzende der WiN-Fraktion ist sich sicher, dass sich dies bald ändert: „Für den Prüfauftrag wird es eine Mehrheit in der Stadtvertretung geben“, sagt Rathje. Die Bereitschaft hätten die meisten anderen Parteien bereits signalisiert. Rathje hofft, dass die Verwaltung in diesem Fall bis zu den Sommerferien alle Voraussetzungen, Kosten sowie Vor- und Nachteile zusammentragen wird, sodass anschließend über einen Antrag auf Kreisfreiheit beraten und abgestimmt werden kann.
Sollte erst der Antrag für den Prüfauftrag und, anhand der gewonnenen Informationen, anschließend ein Antrag auf Kreisfreiheit eine Mehrheit finden, ist das Land gefragt. „Dann gibt es noch eine Hürde: Wir sind Hauptfinanzier des Kreises und zahlen 20 Millionen Euro für die Kreisumlage und den Finanzausgleich des Landes“, sagt Rathje. Es könne also sein, dass das Land einem Antrag auf Kreisfreiheit gar nicht zustimmen würde, um die anderen Kommunen nicht zu belasten.
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