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„Der kommunale Finanzausgleich ist kompliziert“

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Herr Rose, Sie haben das Taschenbuch „Kommunalfinanzen von A bis Z“ verfasst, das Begriffe der kommunalen Finanzwirtschaft verständlich erklärt. Würden Sie sagen, dass Bürger sich für die Tätigkeiten eines Kämmerers interessieren?
Den Eindruck habe ich momentan nicht so stark. Ich denke, viele Bürgerinnen und Bürger unterscheiden nicht, welche Ansprüche sie an die Kommune stellen können und welche an Bund und Land. Sie erwarten von der öffentlichen Hand gewisse Leistungen – das hat in den vergangenen Jahren zugenommen und ist gesellschaftspolitisch auch so gewollt. Aber wer zuständig ist und wer die finanziellen und personellen Ressourcen hat, um die Ansprüche zu erfüllen, ist ihnen nicht immer klar. Es wäre schön, wenn die Bürgerinnen und Bürger schauen würden, was sie von ihrer Kommune erwarten können und welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen. Um dies besser einschätzen zu können, hilft es, kommunale Haushalte und Haushaltspläne zu verstehen. Darauf gehe ich in meinem Buch ein, indem ich die zahlreichen Begriffe zur kommunalen Finanzwirtschaft möglichst einfach erläutere und mit Querverweisen Zusammenhänge verdeutliche. Es richtet sich aber nicht nur an die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch an die politischen Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen. Für sie ist es wichtig, nachzuvollziehen, wie die Kämmerei arbeitet und woher die Finanzmittel kommen, weil sie als Rat die Entscheidungen darüber treffen, was in der Kommune finanziell passiert. Interessierte können das Buch im Internet beim Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen kostenlos als PDF herunterladen.

Wie erklären Sie denn Kommunalfinanzen verständlich?
Ich versuche, in Form eines kleinen Lexikons die Rechtsvorschriften losgelöst von Paragraphen zu erklären und deren Sinn und Hintergründe zu erläutern. Kommunen sind zwingend an Rechte und Gesetze gebunden, nicht zuletzt, weil wir Steuergelder verwenden – das muss rüberkommen. Aber ich möchte die komplexen Sachverhalte veranschaulichen, indem ich sie auf ein prägnantes Beispiel übertrage – auch wenn viele Vorgänge dabei einfacher dargestellt werden, als sie eigentlich sind.

Welcher Begriff aus der Kämmerei ist besonders schwer verständlich?
Der kommunale Finanzausgleich ist eine komplizierte Geschichte. Dabei geht es ja darum, wie die Finanzmittel von Bund und Ländern verteilt werden, allerdings erfolgt zunächst eine Bewertung der unterschiedlichen Finanzkraft der Kommunen. Dann spielt natürlich unter anderem auch noch die Kreisumlage mit hinein. Für jemanden, der sich nicht intensiv mit der Materie beschäftigt, ist es nicht leicht, das zu verstehen.

Welche anderen Kanäle nutzen Sie, um die kommunalen Finanzen verständlich zu erklären?
Ich habe zu dem Thema auch schon einige Seminare gegeben, zum Beispiel Tagesseminare für Personen, die in der Kommunalpolitik tätig waren oder es werden wollten. Es ging darum, wie ein Haushaltsplan aufgestellt wird. Schlüsselzuweisungen und die Kreisumlage sind zum Beispiel Dinge, für die man sich zum Erklären viel Zeit nehmen muss. Das ist im Rahmen der normalen Haushaltsberatung kaum möglich.

Ich fand die Idee super, die kommunalen Finanzen einfach zu erklären.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Taschenbuch zu schreiben?
Der Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen hat mir damals vorgeschlagen, das Büchlein zu verfassen und hat es auch verlegt. Die erste Auflage ist 2002 erschienen. Ich fand die Idee super, die kommunalen Finanzen einfach zu erklären. Ab Ende der achtziger Jahre habe ich an der Hochschule für Verwaltung in Hannover unterrichtet. Da kamen viele Fragen von Studierenden, bei denen ich mich gefragt habe: „Warum hat die vorher noch nie jemand gestellt?“ Das Ziel ist, diese Fragen zu beantworten.

Was würden Sie anderen Kämmerinnen und Kämmerern empfehlen, um ihren Bürgern und auch den Ratsmitgliedern oder Kreistagsabgeordneten die Kommunalfinanzen verständlich zu machen?
Ich würde sagen: Angebote machen, Zeit investieren und auch außerhalb der offiziellen Haushaltsberatungen Treffen zum Informationsaustausch organisieren. In Wedemark haben wir zum Beispiel kürzlich den Ratsmitgliedern angeboten, an einem Samstag per Videokonferenz die Grundlagen zum Haushaltsrecht zu besprechen. Dabei wurde beispielsweise erklärt, was ein Sonderposten oder eine Verpflichtungsermächtigung sind.

Mit dem Angebot wurden politische Vertreter adressiert. Was sollte sich ändern, damit auch die Bürger besser nachvollziehen können, wie die Kämmerei arbeitet?
Es wäre wahrscheinlich sinnvoll, wenn in der Schule zum Beispiel nicht nur Staatsrecht besprochen würde, sondern es auch einen kleinen Abschnitt zum Thema Kommunalrecht gäbe. In den Medien wird in Bezug auf die Kommunalfinanzen leider meistens nur über größere Veränderungen berichtet, aber nicht über die Grundlagen. Ich habe den Eindruck, dass einfach erwartet wird, dass man die Regelungen kennt. So wie bei den Straßenverkehrsregeln: Die neuen Regeln werden veröffentlicht, und dann geht man davon aus, dass sie jeder kennt. Das Bundesgesetzblatt dazu haben sich die meisten von uns aber – verständlicherweise – noch nie angesehen.

Das Taschenbuch ist nicht Ihr einziges Buch. Sie haben bereits Ende der achtziger Jahre ein Fachbuch zur kommunalen Finanzwirtschaft in Niedersachsen veröffentlicht. Was motiviert Sie dazu, Bücher zu schreiben?
Als ich das Buch „Kommunale Finanzwirtschaft Niedersachsen: Grundriss für die Ausbildung und Fortbildung“ geschrieben habe, gab es noch kein Standardwerk, das sich mit dem kommunalen Finanzwesen beschäftigte – zumindest nicht speziell auf Niedersachsen bezogen. Da hat mich der Ehrgeiz gepackt. In dem Fachbuch geht es, anders als beim Taschenlexikon, um tiefergehende Erkenntnisse. Ich habe den Ehrgeiz, das fortzuführen und immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Mittlerweile ist das Buch in der achten Auflage im Buchhandel erhältlich. Die Entwicklung der Haushaltsvorschriften schreitet ja immer weiter voran – gerade in den vergangenen zwei Jahren hat sich mit der epidemischen Lage wieder viel geändert. Im Frühling dieses Jahres wird mein zweites Buch „Kommunales Haushaltsrecht Niedersachsen“, eine Sammlung der für die kommunale Haushaltswirtschaft wichtigen Vorschriften mit zahlreichen Erläuterungen, in vierter Auflage erscheinen.

Wie viel Zeit nimmt das Schreiben in Anspruch?
Das ist sehr unterschiedlich. Ich versuche immer, möglichst zeitnah alle Änderungen aufzunehmen und zu verarbeiten. Als Kämmerer hat man ja viele Möglichkeiten, an die Informationen zu kommen: über die kommunalen Spitzenverbände, Fachzeitschriften, Kommentare, Drucksachen des Bundestags und so weiter. Wenn man da nicht am Ball bleibt, sind es schnell 100 Veränderungen. Manchmal recherchiere und schreibe ich eine halbe Stunde in der Woche, manchmal brauche ich auch einen Tag. Das mache ich in meiner Freizeit, meistens am Wochenende.

a.jarchau@derneuekaemmerer.de

Info

Das Gespräch mit Kämmerer Joachim Rose ist zuerst in der aktuellen Zeitungsausgabe 1/2022 von Der Neue Kämmerer erschienen.

Hier geht es zum Buch „Kommunalfinanzen von A bis Z“ .

Anne-Kathrin Meves

Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.