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Öffentlich-privater Abfall

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Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP oder PPP) werden kontrovers diskutiert. Kritiker bezweifeln, dass die Kooperation zwischen öffentlicher Hand und privater Wirtschaft einen tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteil für Kommunen haben. Sie monieren, dass die ÖPP intransparent seien und beanstanden einen Zielkonflikt zwischen der Gemeinwohlorientierung der Politik und dem Streben nach Gewinnmaximierung der Unternehmen.

Der ehemalige Kämmerer der Stadt Frankfurt am Main, Uwe Becker, kennt diese Vorbehalte. „Spätestens wenn man von Public-Private-Partnerships […] im kommunalen Umfeld redet, beginnt die politische Debatte“, sagte er zuletzt beim diesjährigen Deutschen Kämmerertag in Berlin. Es ginge dann schnell um die „vermeintliche Privatisierung“ und darum, was öffentliches Gut und was die eigentliche Daseinsvorsorge der Städte, Kreise und Gemeinden sei. Dem entgegnet Becker: „Im seltensten Fall greift der Baudezernent selbst zur Schippe […], sondern es sind Privatunternehmen, die bauen.“

Flexibilität durch privaten Partner

In Frankfurt am Main hat die Stadtpolitik 1995 aus dem Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung ein Unternehmen gegründet, die Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES). 1998 übernahm der private Gesellschafter Remondis 49 Prozent, die übrigen 51 Prozent hält die Stadt. Zunächst legte die Stadtverwaltung die Laufzeit der Verträge auf 20 Jahre fest.

Die Abfallwirtschaft mit einer öffentlich-privaten Partnerschaft zu betreiben, hat sich in der hessischen Großstadt offenbar bewährt. Bei der Gründung ging es laut Becker unter anderem darum, Flexibilität in einen stark von der Infrastruktur abhängigen Bereich zu bringen. Neben der kommunalen Abfallsammlung ist die FES für die Reinigung der Stadt zuständig. Zudem betreibt sie mehrere Entsorgungsanlagen, unter anderem ein Müllkraftwerk und eine Gewerbeabfallsortieranlage.

8 Millionen Euro jährlich für die Stadt

Die FES hat einen Umsatz von rund 223 Millionen Euro. Das Jahresergebnis betrug 2020 rund 14,1 Millionen Euro. Durchschnittlich 8 Millionen Euro werden laut Becker jährlich an die Stadt ausgeschüttet. Im vergangenen Jahr erhielt Frankfurt am Main rund 7,2 Millionen Euro. Die Mittel verwende die Stadt zur Stabilisierung der Gebührenhaushalte Abfall und Straßenreinigung, so Becker.

Die Stadt Frankfurt steht hinter dem Modell und will daran festhalten. Mit Ablauf der ersten 20 Vertragsjahre hat die Stadt deshalb im Pilotverfahren ein Vergabeverfahren gewählt, das Becker als „neuen Frankfurter Weg“ beschreibt. Anstelle die einzelnen Leistungsverträge – Bioabfallverwertung, Straßenreinigung und Abfallsammlung – auszuschreiben, hat sie die privaten Geschäftsanteile an der FES in Höhe von 49 Prozent auf den Markt gestellt. Den Zuschlag sicherte sich im September 2020 erneut das Entsorgungsunternehmen Remondis.

Alternativen zur ÖPP

Zuvor hatte die Stadt Frankfurt am Main Alternativen zur ÖPP geprüft. Becker nannte in seinem Vortrag etwa die mögliche Neuausschreibung der gegenwärtig mit der FES bestehenden Einzelleistungsverträge zum Laufzeitende. Durch die unterschiedlichen Laufzeiten würde in diesem Fall allerdings eine „permanente Vergabesituation“ entstehen, so Becker, „immer mit dem Risiko, dass, wenn auch nur einer dieser drei Leistungsverträge von der FES nicht mehr gewonnen würde, […] tatsächlich die gesamte Unternehmung ins Rutschen hätte geraten können.“

Eine Rekommunalisierung des öffentlich-privaten Unternehmens würde wiederum bedeuten, dass die FES sich „nur noch auf das Kerngeschäft des hoheitlichen Bereiches hätte konzentrieren dürfen“, so Becker. „Natürlich kann man keine ‚Kommunalisierung‘ betreiben und anschließend im ‚wettbewerblichen Bereich‘ weiter tätig bleiben.“ Unabhängig davon, welchen Anteil am Gewinn dieser Bereich bei der FES ausmacht, hätte sich dies wohl negativ auf die Struktur des Unternehmens und die Mitarbeiterzahl ausgewirkt.

a.jarchau@derneuekaemmerer.de

Info

Den Mitschnitt des Arbeitskreises „Gemeinsam mehr erreichen“ vom Deutschen Kämmerertag 2021 finden Sie hier.