„Das 9-Euro-Ticket kommt!“, twitterte Bundesverkehrsminister Volker Wissing am Mittwoch. Mit dem Ticket kann von Juni bis Ende August der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) preisgünstig für neun Euro pro Monat genutzt werden. Der Bund übernehme, wie zugesagt, die vollen 2,5 Milliarden Euro für die Umsetzung des Tickets. Diese Summe sei von den Ländern als voraussichtliche Mindereinnahme genannt worden, erklärte Wissing. Indes warnen die Kommunen vor möglichen Finanzierungslücken.
Die verbilligte Fahrkarte ist Teil des zweiten Entlastungspaketes der Bundesregierung. Damit will der Bund die Energiepreissteigerung für Bürger abfedern. Am Mittwoch haben sich die Koalitionsfraktionen auf das Maßnahmepaket geeinigt, Bundesrat und Bundestag müssen allerdings noch über den Gesetzentwurf abstimmen.
Städtetag sieht Finanzierungslücke
Diskussionsbedarf über das geplante Ticket melden vor allem die Kommunen an. So hält der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, die Idee zwar grundsätzlich für „klug, mit dem ermäßigten Ticket im Sinne der Klimaziele mehr Menschen für Bus und Bahn zu gewinnen.“ Doch sieht er beim öffentlichen Nahverkehr eine Finanzierungslücke in Milliardenhöhe. Dedy fordert wegen des geplanten 9-Euro-Tickets mehr Geld vom Bund.
9-Euro-Ticket: „Blödsinniger Schnellschuss“
Deutlichere Worte findet Marco Trips, Präsident des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. „Ich halte das ganze Projekt für einen ziemlich blödsinnigen Schnellschuss mit Blick auf Wählerstimmen“, sagt er gegenüber dem NDR. Bei „gehörigem Nachdenken“ hätte man die 2,5 Milliarden Euro besser einsetzen können, beispielsweise für eine bessere Vertaktung im ländlichen Raum.
Laut dem Gesetzentwurf aus dem Haus des Bundesverkehrsministers will der Bund in diesem Jahr Mittel für die Länder zur Finanzierung des Nahverkehrs um 3,7 Milliarden Euro erhöhen. Damit sollen auch die Kosten für das 9-Euro-Monatsticket in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, wie von Wissing angekündigt, gezahlt werden.
Einnahmeverluste im ÖPNV durch die Pandemie
Die Summe von 3,7 Milliarden Euro klinge zwar nach viel Geld, sagt Dedy. Sie reiche aber nicht, um das ermäßigte Ticket zu kompensieren: „Die städtischen Verkehrsunternehmen schleppen spürbare Einnahmeverluste durch die Corona-Pandemie im Defizitrucksack. Hinzu kommen die steigenden Energiepreise, die die Nahverkehrsunternehmen mit jeder Tankfüllung und an jedem Betriebstag belasten.“
Nach Berechnungen des Städtetags fehlen laut Dedy rund 1,7 Milliarden Euro. Deshalb müssten die für den öffentlichen Nahverkehr erforderlichen Regionalisierungsmittel schnell und dauerhaft dem Bedarf angepasst werden. „Das 9-Euro-Ticket wäre ein guter Anlass für den Bund, die Rechnung noch einmal aufzumachen.“
Liquiditätsfalle 9-Euro-Ticket?
Ähnlich argumentiert der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in einer Mitteilung. Er fordert den Bund auf, die Zusagen zum zusätzlichen Finanzierungsbedarf des Nahverkehrs in diesem Jahr vollständig einzuhalten und damit die Umsetzung des 9-Euro-Tickets nicht zu gefährden. „Der Bund darf die notwendigen finanziellen Rahmenbedingungen nicht halbherzig umsetzen, sondern muss seine Zusagen einhalten, sonst läuft die Branche spätestens mit der Einführung des 9-Euro-Tickets zum 1. Juni in eine Kosten- und Liquiditätsfalle“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann.
Nachhaltige Finanzierung des ÖPNV
Der Verband weist außerdem darauf hin, dass eine „solche Tarifabsenkung generell und besonders angesichts aktuell stark steigender Kosten durch Energiepreise, Personal und Angebotsausweitung weder durch die Verkehrsunternehmen noch durch Bund und Länder dauerhaft finanziert werden kann“. Vielmehr zeige die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern zur Übernahme der zusätzlichen Kosten schon jetzt, welche Herausforderungen bei der nachhaltigen Finanzierung des ÖPNV entstehen können, wenn die Tarifeinnahmen politisch motiviert drastisch abgesenkt werden.
„Bundesverkehrsminister Dr. Wissing hat das 9-Euro-Ticket zurecht als Feldversuch bezeichnet, bei dem aktuell auch völlig offen ist, welche Kosten tatsächlich auf die Branche zukommen werden“, sagt Wortmann. Von daher unterstütze der Verband die Forderung der Verkehrsministerkonferenz, dass auch etwaige Mehrkosten, die den Verkehrsunternehmen aus dieser Aktion entstehen, durch den Bund ausgeglichen werden müssen.
Info
Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.